BIO BAUER - Gerd Wallnöfer
Der Ein-Mann-Vierzig-Sorten-Betrieb
Ein Quereinsteiger als Apfelbauer. Kann das gutgehen? Gerd Wallnöfer aus Prad am Stilfserjoch, der auf nur einem Hektar Grund vierzig verschiedene Apfelsorten pflegt, befindet sich mit seinem Apfelsaft auf Erfolgskurs. Und definiert nebenbei den Geschmack des Saftes ganz neu.
Ein Hektar Grund mit drei verschiedenen Apfelbaumsorten, das war die Ausgangslage von Gerd Wallnöfer's Sprung ins kalte Wasser. Es war 2004, das Jahr, in dem ihm der Schwiegervater den konventionell bewirtschafteten Grund, einen Kilometer vom Wohnhaus der Wallnöfers entfernt, überließ. Was nun? Dort standen Jonagold-, Golden- und Red Delicious-Bäumchen, alle 1991 vom Schwiegervater angelegt. Die Bauern aus Prad am Stilfserjoch waren zwar – nach Laas – mit die ersten im Oberen Vinschgau, die nach der Flurbereinigung in den 1980er Jahren den Obstbau vorantrieben. Und doch war die Vermarktung keineswegs so organisatorisch perfekt wie im mittleren oder unteren Vinschgau: 2009 gründete sich zu den bereits bestehenden Strukturen der Obstbauverein St. Veith, der den Obervinschger Obstbau ebenso kräftig vorantreiben wollte. Zu diesem Zeitpunkt war Gerd Wallnöfer bereits ein Jahr lang biologisch zertifiziert. „Das war ein Gefühl“, sagt der Biobauer über die geglückte Umstellung, „als komme man in einer kalten Winternacht in die warme Stube nach Hause zurück“.
Kanadarenette,
Kronprinz Rudolf,
Goldparmäne,
Herbstkalvill
Die erste Zeit nach der Übernahme der Apfelanlage war für Gerd Wallnöfer vor allem eine, die ihm die Augen öffnen sollte. Denn als er auf den finanziellen Ertrag schaute, den die Wiese abwarf, wusste der Vater dreier Töchter nicht, ob er seinen grau-blauen Augen trauen sollte: 21 Cent pro Kilo Jonagold wurden von der Genossenschaft ausgezahlt. „Da habe ich stark geblutet“, gibt er heute zu. An die Genossenschaft zu liefern, sei ein Fehler gewesen. „Aber aus Fehlern lernt man ja schließlich“. Also musste er genauso quer denken, wie er eingestiegen war. Nach und nach pfropfte er neue Sorten oder kaufte dazu. „Von den rund 20.000 bis 30.000 weltweit existierenden Apfelsorten werden nicht einmal 50 davon wirtschaftlich genutzt – die meisten, die wir kennen, sind kaum 100 Jahre alt“, erzählt Gerd Wallnöfer. Auch deshalb finden sich heute die Kanadarenette und der Kronprinz Rudolf, die Goldparmäne und der Lavantthaler Bananenapfel, der Herbstkalvill oder der Weiße Rosmarinapfel auf dem kleinen Flecken Grund. Und da er genau von diesem Grund leben wollte, konnte er nicht auf hochstämmige Bäume, sondern auf jene Bäumchen setzen, die auf schwachwachsende Wurzeln gepelzt waren: „Bei den Hochstammbäumen wartest du bis zu sieben Jahre, bis sie tragen. Diese Zeit hatte ich nicht“.
Apfelsaft mit Kaffee?
Erst seit 2015 begann der Betrieb, sich zu rechnen. Dem voran gingen harte Jahre mit langen Arbeitstagen, dem Herumtüfteln mit den perfekten Saftbehältern, dem ständigen Probieren und Ausloten der Qualität, der Safterstellung in der eigens umgebauten ehemaligen Garage mit den dazugehörenden, oft ebenfalls selbst gebauten Gefäßen – und natürlich dem unabdingbaren Willen, das Produkt gut zu verkaufen. Etliche Fahrten, vor allem in die Poebene, zu den großen italienischen Lebensmittelmessen, standen auf dem Programm. Und eines Tages, sagt Gerd Wallnöfer, habe er halt einen Kaffee vor Antritt der Heimreise getrunken und dann, während der Fahrt, immer wieder einige Schlückchen Apfelsaft zu sich genommen und ja, er sei nicht mehr müde geworden. Zuhause angekommen, verkündete er die frohe Botschaft einer neuen Möglichkeit seiner Frau Brigitte: Apfelsaft mit Kaffee wolle er anbieten! Anstelle sofortiger Begeisterung war – allzu verständlich in einem Land mit ausgeprägter Kaffeekultur – eher die Frage: „Spinnst du jetzt total?“ zu hören. Losgelassen hatte ihn die Idee nicht.
20.000 Liter
Apfelsaft jährlich
Heute verzieren die von seiner Tochter entworfenen Etiketten die neuen Apfelsaftflaschen, auch jene mit dem Apfelsaft mit Kaffee. Bis er die perfekte Größe für den Saft hinter Glas fand, brauchte es diverse Anläufe. Sichtglas war ihm wichtig, seine Kunden sollten den Saft gleich sehen können: „Mein Saft hat eine so schöne gelbe Farbe“, schwärmt er. Aber nicht nur die Farbe stimmt bei diesem Endprodukt: „Anders als andere benutze ich kein Fallobst für die Herstellung des Saftes. Und mittlerweile weiß ich ganz genau, wann die Äpfel ihre perfekte Reife haben. Dazu brauche ich keine Chemikalie, die das bestätigt, so wie es bei vielen anderen Betrieben durchgeführt wird. Und natürlich achte ich darauf, dass sie nicht vorzeitig gepflückt werden: Denn zu viel Gerbstoffe sind nicht gut für den Geschmack“. Was er von der Anlage geholt hat, verarbeitet er so schnell wie möglich. Er verkauft 20.000 Liter Apfelsaft jährlich, die alle vor dem Verpacken auf mindestens 80 Grad Celsius erhitzt werden: „So wird er pasteurisiert“. Nicht nur, dass man diese Qualität schmecken kann – auch die gesundheitsfördernden Eigenschaften des Getränks sind Teil des Gesamtpaketes: „Natürlich sind naturtrübe Säfte vitaminreicher. Denn in den Schwebeteilchen stecken wertvolle Inhaltsstoffe“. Ganz d'accord ist auch Friedrich Steiner, sein Cousin, und wirft einen Blick auf die Kiste der frisch von der Wiese gebrachten Äpfel: „Das Besondere ist doch das, was in dieser Kiste drin ist. Die enorme Qualität des Apfels, die mit Arbeitsaufwand, Zeit und Geld verbunden ist“.
Beide stehen raue, kalte Zeiten
durch und sind gut lagerfähig
Wer einen Kronprinz Rudolf gekostet hat, wird sich wundern, warum sich die Mär vom großen, perfekten Apfel, den der Konsument angeblich fordere, so hartnäckig hält. Der kleine Kronprinz ist angenehm süß und säuerlich zugleich, fein gewürzt, wahnsinnig saftig – und besticht durch ein rotwangig-sympathisches Äußeres. Selbst mit einem seiner größten Fans, Gerd Wallnöfer, scheint der feine Kerl ein paar Eigenschaften zu teilen: Beide stehen raue, kalte Zeiten durch und sind gut lagerfähig – oder verfügen dementsprechend über einen langen Atem.
Noch nicht einmal sehr schorfanfällig sei der kleine Prinz. Natürlich, räumt er ein, Schorf könne sehr wohl ein Problem werden. „Sehr wenig davon macht einem Apfel jedoch nichts“, sagt Gerd Wallnöfer. Das Verhältnis von Schorffreiheit zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und dem Arbeits- aber auch Energieaufwand stehe in keinem Verhältnis, sagt Gerd Wallnöfer. Geringste Mengen beeinträchtigten weder Geschmack noch Inhaltstoffe. Die Bereitschaft, diese minimalen Macken an seinen ansonsten perfekten, äußerst schmackhaften und sehr gesunden Sorten auszuhalten, wirke sich direkt auf die Umwelt aus. Es werden nicht nur weniger Mittel eingesetzt, auch der Traktor fährt deutlich weniger oft durch die Obstanlage. „Denn“, sagt Gerd Wallnöfer, „wir müssen das Ganze im Auge behalten und nicht vergessen, dass wir nie am Ziel angekommen sind“.