BIO BAUER - Hans Waldner
KÜHE, KÄLBER UND KAMINWURZEN
Beim Waldnerhof in der Mitte des Dörfchens Schleis dreht sich alles rund um's Vieh. Und um einen Bauern, dessen Glück auch mit den Kühen kommt.
Klein mag es sein, dieses Dörfchen Schleis mit seinen rund 350 menschlichen Einwohnern. Die Tiere am Waldnerhof haben jedenfalls ausreichend Platz und angrenzende Wiesen sorgen zusätzlich dafür, dass sie von April bis Allerheiligen draußen sein können. Mit sieben eigenen Hektaren und acht weiteren in Pacht produziert Hans Waldner den größten Teil des Viehfutters selbst. „Das war schon immer so“, sagt der knapp Fünfzigjährige, der vor rund 20 Jahren den elterlichen Hof übernahm und 2012 den Betrieb auf biologische Landwirtschaft umstellte, „wir hatten also für die Umstellung auf Bio optimale Vorraussetzungen – und mussten nur das Kraftfutter ändern“. Roggen und Dinkel, die er auf 1,5 Hektaren anbaut und an die Meraner Mühle liefert, sind ein Teil seines Betriebes, die rund 20 Milchkühe ein anderer. Hans Waldner muss grinsen, wenn er erzählt, dass es die Biobauern des Dorfes in einem Punkt besonders gut getroffen hätten: „Die Biomilch wird morgens später als die konventionelle abgeholt. Also müssen wir nicht ganz so früh 'raus wie die anderen“.
Heute erzielt Biomilch in Südtirol
knapp 30 Cent mehr pro Liter
als konventionelle Milch
Dass Biobauern vor allem durch bessere Preise auch Vorteile haben, mag heute durchaus der Fall sein. Doch das war vor noch knapp 20 Jahren keineswegs so: Als die erste Biomilch der Milchgenossenschaft auf den Markt kam, bekamen die Biobauern fast den gleichen Preis wie die Bauern, deren Kühe konventionell gehalten und gefüttert wurden. „Das muss man sich mal vorstellen“, sagt Hans Waldner und schüttelt den Kopf. Ab 2011 wurden die Auszahlungen für die Produzenten der Biomilch besser, heute erzielt sie bis 85 Cent pro Liter, während die Preise der konventionellen bei bis zu 56 Cent liegen. „Es fing also an, sich zu lohnen“. Schon vor dreissig Jahren lieferten die Waldners Kalbfleisch an das Hotel Panorama, doch genau dies war ab 2002, dem Jahr, in dem es in Mals das erste Biohotel Italiens gab, nicht mehr möglich.
"Es gibt unzählige,
Rezeptmöglichkeiten,
das umzusetzen"
Heute liefert Hans Waldner wieder Fleisch, Käse, Butter, Getreide und Kartoffeln an das Biohotel Panorama. Und jenes Tier, das so reizend großäugig im Stall steht und sich mit anderen Kälbchen vergnügt, wird im Durchschnitt als männliches Kalb mit zwischen vier und sechs Monaten geschlachtet. Auch Friedrich Steiner steht vor einem dieser Kälber, fragt nach dem Alter, schätzt das Gewicht und verhandelt: „Kannst du ihn mir bis kurz vor Weihnachten aufheben?“ Bedeutet: nicht jetzt schon schlachten, sondern warten, bis er es im Hotel brauchen wird. Nicht immer ist das leicht, vor allem nicht für den Bauern, der das Kalb länger durchfüttert. Eine dauerhafte Zusammenarbeit bedingt mitunter kleine Kompromisse. Eine Möglichkeit, den Tieren und deren Schlachtung mit Respekt zu begegnen, sehen der Landwirt und der Koch darin, alle Teile des Tieres zu verarbeiten. „Es gibt unzählige Rezeptmöglichkeiten, das umzusetzen“, sagt Friedrich Steiner, der weiß, dass noch vor wenigen Jahrzehnten in den vielen Vinschgauer Haushalten alles vom Tier verwendet wurde.
Kaminwurzen hängen hier,
nur mit Salz und Pfeffer gewürzt,
Äpfel lagern auf der Trendl
Es ist heiß an diesem Oktobertag auf 1.064 Metern Meereshöhe in Schleis. Die Wege der kleinen Fraktion der Gemeinde Mals führen nicht nur der Etsch entlang, sondern bis ins Schliniger- und in das Arundatal. Auf rätoromanisch wird Schleis zu Schlü. Etliche Flurnamen zeugen von der rätoromanischen Vergangenheit: wie z.B. Prådawant oder Pradalapunt; die „vordere Wiese“oder die „Wiese an der Brücke“. Aus jener Zeit, als dort noch rätoromanisch gesprochen wurde, stammt auch der 500-jahre alte Bauernhof samt seiner Selchküche, wo die Wände so dick sind, dass die Temperatur das ganze Jahr über gleich bleibt. Kaminwurzen hängen hier, nur mit Salz und Pfeffer gewürzt, Äpfel lagern auf der Trendl, ein drehbares Objekt, an dem die Mäuse vergeblich versuchen, hochzuklettern. Für den hausgeräucherten Speck aus den eigenen Schweinen hat Hans Waldner sich eine eigene Räucherkammer erstellt, so, wie er fast alles rund um den Hof selbst gebaut hat: ihm kommt zu Gute, dass er jahrelang als Maurer arbeitete. Genauso von Vorteil erweist sich nun seine Zeit im Malser Schlachthof, als er ihn mitgeführt hatte: Dort eignete er sich Kenntnis und Können rund um die Fleischverarbeitung an.
"Ich habe mich nie gefragt, etwas
anderes zu werden als Bauer.
Ich bin mein eigener Herr"
Während die Gäste Kaminwurzen probieren, gibt es in diesem Herbst 2019 auch biologischen Almkäse zu verkosten: Erstmalig konnte der Schleiser Bauer seine Kühe im Sommer auf eine biologische Alm, die Gondaalm im Matschertal, schicken: Denn die Viehbauern des Tales hatten sich geeinigt: Während das Biovieh rund um die Gondaalm grast – und biologisches Kraftfutter bekommt – kümmern sich die Betreiber der Inneren Matscheralm um die konventionell gehaltenen Kühe. Auf dem Tisch im Hof kommt alles aus eigenem Anbau. „Brotbacken“, sagt Hans Waldner, „das wäre auch noch etwas. Aber man kann nicht alles machen“. Doch er kann von seinem Betrieb seine Familie ernähren. Für den Schleiser ein großes Glück: „Ich habe mich nie gefragt, etwas anderes zu werden als Bauer. Ich bin mein eigener Herr“.