BIO BAUER - Karl Hohenegger

ZICKIG? KEIN PROBLEM!

Eine Familie, die auf die Ziege gekommen ist: Die Hoheneggers im Langtauferertal.

„An Bus do zu ibrholn, na, des geat dechtrsch nicht“, bestätigt ein Einheimischer die Tatsache, dass die Straße durch das lange Tal mit dem passenden Namen eindeutig zu schmal ist, um ein größeres Fahrzeug zu überholen. Doch je langsamer man sich hinter dem Linienbus die ganze Straße bis zum letzten Ort Melag bewegt, desto besser scheint's voranzugehen. Nämlich direkt in eine nachhaltig bewirtschaftete Zukunft, in diesem Fall zum Gamsegghof.

 

Am Ende des Langtauferer Tales, dort, wo die Wege zur zweitgrößten Erhebung der Ötztaler Alpen, der Weißkugel, führen, leben auf 1.920 M.ü.M. die Hoheneggers mit ihren rund 80 Ziegen, vier Kühen, etlichen Altsteirer Hennen, Haubenhühnern und einem Seidenhahn – der genau wie die Hauskatzen mitunter recht eigenständig unterwegs ist, – einem Collie namens Sally und den Micro-Schweinen Macho und Maxl. Tiere schätzen zu lernen, das haben Hoheneggers ihren Kindern früh beigebracht. „Mein Mann wollte,“ erzählt Beatrix Hohenegger, „dass die beiden ältesten Buben Verantwortung für ein Tier übernehmen. Und so kam er mit zwei Ziegen an“. Und ja, bekräftigt sie, 1995 hätten sie alle keine Ahnung von Ziegen gehabt:, „Ziegen galten als Mistviecher“. Doch Ziege Moni hat den Weg direkt ins Herz des damals 6-jährigen Robert gefunden. „Er kann einfach gut mit ihnen“, bestätigt sie. Auch seinetwegen geht das, was Beatrix und Karl Hohenegger aufgebaut haben, weiter: Eine Hofkäserei, die die Milch der eigenen 80 Ziegen und vier Kühe, auch die Milch von Schafen und Kühen benachbarter Bauern zu Käse verarbeitet. Der älteste Sohn Robert – er, dessen tägliche Aufgabe es ist, sich um die 80 Ziegen und die damit verbundenen Herausforderungen zu kümmen – fasst das Käseangebot folgendermaßen zusammen: „Gradlinig, authentisch und ganz ohne Schnickschnack“. Ziegen-, Schaf- und Kuhmilchkäse und einen Käse aus Ziegen- und Kuhmilch gibt es in verschiedenen Reifegraden. Ohne Schnickschnack vielleicht, aber mit jeder Menge Klasse: Auch der ehemalige Sternekoch Hansi Baumgartner, Gründer und Leiter von Degust, Anbieter ausgesuchter Käsesorten aus ganz Italien, ist einer der Weiterverkäufer der schöne Laibe vom Ende des Tales, die jährlich aus rund 100.000 Litern Milch zu 10 Tonnen Käse verarbeitet werden. Dabei wird nur jeden zweiten Tag gekaast, in einer Käserei, die die Hoheneggers selbst geplant haben: „Wir haben den Arbeitsplatz bewusst einfach gehalten“, sagt Robert, selbst ausgebildeter Käsesommelier, „aber auch dafür musst du vorher genau wissen, was du brauchen wirst“.

Die Anfänge hatten viele Facetten,
einfach war keine davon.

Trotz der Tatsache, dass es Südtirol in dem Jahr, als Karl Hohenegger begann, Ziegenkäse herzustellen, nur fünf von den mittlerweile rund 80 Hofkäsereien Südtirols gab, war der Erfolg kaum vorprogrammiert. Ganz im Gegenteil. Landwirtschaftliche Berater von außen sahen kein Potential – und rieten davon ab. Andere schüttelten den Kopf: „Mit diesen Sauviechern? Nie im Leben. Ihr spinnt ja total!“. Und der Preis? Auch er war ein entscheidender Faktor: „Wir starteten mit 10 bis 14 Euro pro Kilo Käse“, sagt Robert, „aber das rechnete sich nicht“. Und doch setzte Karl Hohenegger auf eine selbst ihm bislang recht unbekannte Möglichkeit, in der Hoffnung, damit ein Einkommen für die Familie zu sichern und endlich von der Landwirtschaft leben zu können. „Denn“, betont Jungbauer Robert, „mit 10 bis 12 Kühen, 6,5 Hektaren Eigenfläche und 3.5 weiteren in Pacht, da hast du keine Chance, als Vollerwerbsbauer eine Familie zu ernähren“.

 

Begeistert davon, dass neue Möglichkeiten erkannt und ausgeschöpft werden könnten, saß Karl Hohenegger vor rund 20 Jahren in einem Kurs, der Gastwirte und Landwirte an einem Tisch brachte und zumindest versuchte, attraktive Lösungen für beide Seiten zu finden. Mit dabei: Friedrich Steiner, der seinerseits fasziniert davon war, mit den biologisch produzierten Lebensmitteln aus der Umgebung sein eigenes kulinarisches Angebot so reich- und nachhaltig wie möglich zu gestalten. Der Lehrgang nannte sich Gast- und Landwirte an einem Strick – und an einem Strick sollten bald darauf Hohenegger und Steiner ziehen: „Wenn du den Betrieb biologisch bewirtschaftest“, sagte der Gastronom zum Gamsegghofbauern, „dann nehme ich dir eine garantierte Menge regelmäßig ab“. Seit knapp 20 Jahren ist der Betrieb biozertifiziert, der 2011 gebaute Stall ist geräumig und hell. Er war eine Investition, die man sich erst einmal zutrauen musste; keine Selbstveständlichkeit bei einem Betriebszweig, der gerade erst anlief. Aus 30 wurden 80 Ziegen – „Und“, sagt Robert, „erstmals hatten wir genug Käse“.

Das „Sauvieh“ Ziege hatte wahrlich
keinen guten Ruf im Alpenraum,
Südtirol war da keine Ausnahme.

In der Levante mag die Ziege seit ca. 10.000 vor Christus domestiziert worden sein, auch der oberste Gott des Olymp, Zeus, wurde laut Mythologie als Junge von einer Ziege genährt  – doch im Christentum spielt der paarhufige Widerkäuer den bösen Gegenpart zum Lamm Gottes. Das von den antiken Griechen hochsexualisierte Tier war bei den Katholiken wenig geschätzt; der Sündenbock, beladen mit den Sünden der Menschen, wurde sogar in die Wüste geschickt. Auch Robert, dessen Augen blitzen, wenn er von seinen Tieren spricht, ist nicht geneigt, seine Herde rosig darzustellen: „Was man über Ziegen wissen sollte“, fasst er zusammen, „wäre erstens: Sie finden immer einen Weg aus dem Zaun. Zweitens: Wenn sie eine Blumenwiese abgrasen, dann immer nur die schönsten Blüten. Drittens: Sie sind neugierig, stur und unglaublich verfressen“ Das Leuchten in den Augen bleibt, die Begeisterung für die Tiere ist spürbar: „Sie sind sehr intelligent, also musst du ihnen immer einen Schritt voraus sein. Und bei meinen Damen bin ich der Chef“. Wer beobachtet, wie der 33-jährige Jungbauer sie vom Stall auf die Wiese oder zurückbringt, hat kaum Zweifel, wer hier das Sagen hat. Robert Hohenegger ist übrigens auch dabei, wenn geschlachtet wird: denn nicht nur die männlichen Kitz kommen unter‘s Messer. Erwachsene Ziegen, deren Milchleistung nachlässt, ebenso. „So eine Ziege hat mir doch jahrelang gedient. Wenn der Metzger auf den Hof kommt, dann muss ich sie auf ihrem letzten Gang begleiten“.